Experteninterview: 5 Fragen an Wilk Spieker
2023 war auch – und besonders – mit Blick auf den elektronischen Rechtsverkehr ein aufregendes Jahr. Nicht nur wurde die Verpflichtung zum ERV auf Steuerberater (beSt) ausgeweitet. Im Oktober wurde zudem der eBO-Dienst “Mein Justizpostfach (MJP)” durch das Innenministerium und das Justizministerium vorgestellt. Einmal mehr wurde dadurch das Interesse am ERV geweckt (die Details dazu haben wir hier für Sie zusammengefasst). Der Fokus des Bundes, elektronische Kommunikation so rechtssicher und vertrauenswürdig wie möglich gestalten, wurde hierbei umso mehr deutlich.
Und auch im neuen Jahr scheint es im ERV spannend zu bleiben. Erste Neuerungen sind zum Jahreswechsel bereits in Kraft getreten. Weitere kündigen sich an. Wir haben mit unserem Senior Consultant Wilk Spieker über die wichtigsten Veränderungen für 2024 gesprochen. Hier kommen seine Antworten auf unsere Fragen:
#1 Welche Veränderungen hat es im elektronischen Rechtsverkehr zum Jahreswechsel gegeben?
Seit dem 1. Januar 2024 stehen auch professionelle Verfahrensbeteiligte in der Pflicht, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung von Informationen an die Justiz zu eröffnen. Nach § 130 a Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) zählt dazu neben den besonderen elektronischen Postfächern für Notare und Steuerberater das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO).
Über diese Neuerung hinaus, wurde zum 01. Januar 2024 der § 3a im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) angepasst: Die elektronische Kommunikation per eBO ist mit dieser Anpassung nun schriftformersetzend. In ähnlicher Weise hat es zum Jahreswechsel auch bei dem § 36 a im Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) eine Anpassung bezüglich der Schriftformerfordernis gegeben. Im Rahmen des Paragraphen § 130 a ZPO war das bisher schon bei Gerichten möglich. Nun sind alle Bereiche von der Signatur befreit: Verwaltungsbereich, Sozialgesetz Bereich, gerichtlicher Bereich. Zum 01. April soll die Schriftformerfordernis auch bei den Patentanwälten entfallen – soweit der aktuelle Entwurf der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) umgesetzt wird.
#2 Wie sieht es 2024 mit der elektronischen Empfangsbekenntnis aus?
Auch die elektronische Empfangsbekenntnis (eEB) wird 2024 voraussichtlich wegfallen – so die Informationen auf der JuMiKo Frühjahr Konferenz Berlin 2023. Dieser Schritt wird einen Wendepunkt im elektronischen Rechtsverkehr markieren und eine enorme Vereinfachung der Prozesse mit sich bringen, indem die bürokratischen Hürden verringert werden.
#3 Welche weiteren Neuerungen künden sich für 2024 an?
Es steht fest, dass die Bundesregierung bis zum 31. August 2024 aus dem De-Mail-System aussteigen wird. Infolgedessen werden keine weiteren Konten in der Verwaltung eingerichtet werden. Bestehende Konten werden gelöscht werden. Diese Abkehr von De-Mail trifft leider genau die Personen, die sich schon lange Zeit um eine rechtssichere Kommunikation gesorgt hatten; hier zumeist professionelle Verfahrensbeteiligte.
Bürger wiederum haben den häufigsten Kontakt mit den Verwaltungen ihrer Gemeinden, Landkreise und Städte. Da diese bislang keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Einrichtung eines De-Mail-Zugangs für die Verwaltungen unterlagen, wurde De-Mail an diesen Stellen kaum genutzt.
#4 Welche Hürden stehen den Nutzern von De-Mail bevor, wenn sie auf den elektronischen Rechtsverkehr per eBO umstellen?
Grundsätzlich gibt es zwischen De-Mail und eBO viele Gemeinsamkeiten. Beide Postfächer ermöglichen eine rechtssichere und sichere elektronische Kommunikation mit der Justiz. Und beide Postfächer setzen auf die Authentifizierung der Person. Anders ist, dass mit dem eBO auch Organisationen den elektronischen Rechtsverkehr nutzen können. Dadurch wird der berufliche Aspekt einbezogen. Firmen- und Verbandsnamen werden im SAFE-Verzeichnis sichtbar.
Wer nun sein De-Mail-Konto schließen und ein eBO einrichten will, der braucht eine spezielle Software, über die ein Zugang zum eBO hergestellt werden kann. Kostengünstige Produkte wie arveo secom bieten Nutzern umfangreiche Funktionen sowie eine hohe Usability und einen professionellen Support.
#5 Die eBO-Lösung arveo secom eröffnet Nutzern vielfältige Möglichkeiten. Wie können diese Möglichkeiten effektiv genutzt werden?
arveo secom tritt als moderne SaaS-Lösung (Software as a Service) auf. Das erlaubt es Nutzern, die Lösung über den vorhandenen Browser zu nutzen, ohne sie lokal installieren oder warten zu müssen. Verschiedene Nutzer können mit arveo secom zudem auf ein gemeinsames eBO zugreifen. Dies ist besonders interessant für Berufsausübungsgemeinschaften, gerade wenn es sich um eine Gesellschaft nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) handelt.
Gleichwohl haben mit arveo secom auch Einzelpersonen die Möglichkeit, ihre Berufsträgerschaft im Verzeichnis anzeigen zu lassen, soweit ihr Beruf bereits für diese Funktion freigeschaltet wurde. Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2024 der Kreis dieser Berufsträger nach der Elektronischen Rechtsverkehrsverordnung (ERVV) noch deutlich erweitert werden wird. Hintergrund ist auch, dass professionelle Verfahrensbeteiligte auf Dauer nicht über ein privates eBO mit der Justiz und den Behörden kommunizieren sollen. Bei der Berufsträgerschaft handelt es sich um eine Win-Win Situation. Gerichte und Behörden müssen bei der Suche nach geeigneten Fachkräften nicht mehr in vielen externen Datenbanken suchen. Für Nutzende ist die Sichtbarkeit des Berufes in der Außendarstellung gut.